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Der Streit um die Platzvergabe beim NSU-Prozess in München geht weiter.

© dpa

NSU-Prozess: Klageweg statt Windhundprinzip

Das Gerangel um die Beobachterplätze beim NSU-Prozess nimmt zu. Jetzt wollen weitere Journalisten Verfassungsbeschwerde einlegen. Ob Karlsruhe noch rechtzeitig vor Prozessbeginn entscheiden kann, ist offen.

Von Frank Jansen

Eine Woche vor Beginn des NSU-Prozesses nimmt der Druck auf das Oberlandesgericht München noch zu. Nachdem sich die türkische Zeitung „Sabah“ an das Bundesverfassungsgericht gewandt hat, um doch einen sicheren Sitzplatz im Gerichtssaal zu bekommen, wollen nun auch freie Journalisten, obwohl sie einen reservierten Sitzplatz bekommen haben, eine Verfassungsbeschwerde einreichen. Der Anwalt des „Pressebüros Karlsruhe“ hatte zunächst am Freitag beim OLG München beantragt, das Akkreditierungsverfahren vom 5. März „wegen Rechtswidrigkeit“ aufzuheben. Das OLG hatte es aus Sicht des Büros versäumt, das Verfahren rechtzeitig mit einer Pressemitteilung transparent zu machen und gleichzeitig mitzuteilen, wann die Vergabe der Sitzplätze nach dem so genannten Windhundprinzip erfolgt, also in der Reihenfolge eingehender Anträge.

Das OLG wies nun erwartungsgemäß die Forderung des Pressebüros zurück, das Akkreditierungsverfahren aufzuheben. Die Journalisten wollen an diesem Dienstag die Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe schicken. Anlass für den Ärger der Journalisten ist auch, dass das OLG sich weigert, für zwei akkreditierte, aber erkrankte Mitarbeiter des Pressebüros einen anderen Kollegen als Berichterstatter im NSU-Prozess zu akzeptieren. Damit sieht sich das Journalistenteam „in der Freiheit seiner Berufsausübung gehindert“, wie es in dem Schreiben des Anwalts an das OLG heißt.

Offen bleibt, ob das Bundesverfassungsgericht noch rechtzeitig vor Beginn des Prozesses am 17. April über die Beschwerden von Medien zur Sitzplatzvergabe entscheiden kann. Die türkische Zeitung „Sabah“ hatte in der Nacht von Freitag zu Sonnabend über einen Anwalt eine 28-seitige Verfassungsbeschwerde gegen das Windhundverfahren, verbunden mit dem Antrag auf eine einstweilige Anordnung, nach Karlsruhe geschickt. Bei türkischen Medien und Politikern ist der Unmut groß, da es keinem türkischen Journalisten gelang, sich rechtzeitig für einen der 50 sicheren Sitzplätze im NSU-Prozess zu akkreditieren. Auch für den türkischen Botschafter ist kein Stuhl reserviert. Hüseyin Avni Karslioglu sagte dennoch im Interview des Tagesspiegels am Sonntag, er werde bei Prozessbeginn zum Gericht kommen.

Unterdessen hat der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) ebenfalls einen festen Sitzplatz im Gerichtssaal gefordert. Der KRM-Vorsitzende Aiman Mazyek sprach gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ von einer „Selbstverständlichkeit“, dass auch der Koordinierungsrat einen Platz erhalte. Der KRM ist der Spitzenverband der vier größten islamischen Organisationen in Deutschland. Zu ihm gehört auch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), die als Dachverband die Tätigkeit hunderter Moscheevereine in Deutschland koordiniert und vom türkischen Staat beaufsichtigt wird. Mazyeks Anfrage beim OLG hatte jedoch keinen Erfolg. Das Gericht habe den Eindruck erweckt, „dass wir für einen Platz um drei Uhr morgens vor dem Gebäude campen müssten“, sagte der Vorsitzende des Koordinierungsrates.

Mit einem „Pool“ mehrerer Medien wollen die Journalisten der Landespressekonferenz Bayern den türkischen Kollegen helfen, doch noch mindestens drei sichere Plätze zu erhalten, wenigstens für die ersten Prozesstage. Dazu sollen sich bayerische Journalisten, die einen reservierten Platz haben, zum Pool zusammenschließen, für den dann nur ein Medium berichtet. So würden feste Plätze frei, die türkischen Journalisten zur Verfügung gestellt werden sollen. Dazu müssten allerdings die türkischen Medien auf der Nachrückerliste ganz nach vorne kommen. Einige Redaktionen, darunter die der „Neuen Zürcher Zeitung“, haben bereits signalisiert, ihren Nachrückerplatz frei zu machen. Unklar bleibt allerdings, ob das Oberlandesgericht die von der bayerischen Landtagspresse geplante Solidaritätsaktion für die türkischen Medien akzeptiert.

Es zeichnet sich außerdem ab, dass die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe bei Beginn des Prozesses die zu erwartende Platznot im Gericht thematisieren werden. In einem Schreiben der Anwälte an das OLG heißt es, man wolle „substantiiert zu der aus Sicht der Verteidigung aus verschiedenen Gründen gegebenen Ungeeignetheit des Sitzungssaales“ vortragen.

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